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Neureichenau
Zum EM-Finale nur Sieger
DAGMAR SCHMIDBAUER
1.Juli 2008
Die erste Meisterschaft im Seilziehen der Ortsteile fand in Neureichenau im Rahmen der EM Final-übertragung auf dem Dorfplatz statt: 16 Mannschaften, darunter auch vier Frauenteams, traten an. Das Interesse war riesig, die Stimmung super, nur beim Spiel der Deutschen im Finale wurde es etwas ruhiger.
Es war eine jener spontanen Ideen, für die die Neureichenauer inzwischen weit und breit bekannt sind. „Hoffentlich melden sich wenigstens ein paar Gruppen an“, hatten die Organisatoren der Werbegemeinschaft im Vorfeld gehofft und waren dann völlig überrannt worden. Aus allen Himmelsrichtungen – nein Ortsteilen − strömten Schaulustige und Siegessichere auf den Neureichenauer Dorfplatz und stellten die Organisatoren des Seilziehwettbewerbs vor ganz neue Probleme. „Wir brauchen mehr Biergarnituren und das Fußballtor für die Kleinen ist auch noch nicht befestigt!“ „Die Reserve- Bierzapfanlage muss in Betrieb genommen werden, und jemand muss sich um die Anmeldungen kümmern!“ Ernstl Süß verteilte Aufträge und war eigentlich überall gleichzeitig. Er hielt die Gäste hin, die bereits der Meisterschaft entgegenfieberten und sorgte gleichzeitig für Stimmung. Bernhard Pöschl rannte mit seinen Jungs zum Laden und holte noch mehr Fleisch für den Grill und Süßes für die kleinen Torschützen, In Neureichenau gab es zum EM-Finale nur Sieger während Kupina Baki und Roland Stögbauer weitere Tische organisierten und die Wirtsleute Resch grillten und servierten, wie lange nicht mehr.

Schließlich kam die Stunde der Wahrheit. Die Teamführer sollten sich bei Roland Peter anmelden, auch Frauen waren natürlich zugelassen. Noch zögernd gingen die ersten zur Anmeldung, bald wurden es mehr und mehr und dann stand die Zahl fest. 14 Teams. „Das geht nicht auf“, erläuterte Ernstl Süß, „wir brauchen noch zwei Gruppen.“ Kein Problem. Die Namen wurden schnell kreiert: „Die Zamg’würfelten“ und „Mixed Pickels“ sollten sie heißen und Ernstl wäre nicht Ernstl, wenn er nicht auch die Männer für die Teams finden würde.


Und dann konnte es endlich zur nahe gelegenen Wiese gehen und das Tau aufgenommen werden. In der ersten Runde hatte das Los darüber entschieden, wer gegen wen, der zwölf Herren- und vier Damenmannschaften antreten musste. Letzte Anweisungen wurden gegeben, untaugliche Schuhe ins Gras geschleudert, rechts und links des Seiles standen die Groupies und feuerten ihr Team an. Noch einmal schnell in die Hände gespuckt und dann kam das Kommando von Ernstl: „Und Los!“ Das Publikum grölte, schrie und lachte, bis die ersten in die Knie gingen und sich geschlagen geben mussten.

In der zweiten Runde wurde es dann noch spannender, denn jetzt hatte sich schon gezeigt, wer die Nase vorn hatte und das waren fast ausschließlich Interessenverbände und keine Ortsteile mehr. So traten 16 Mannschaften treten zur 1. Seilzieh-Gemeindemeisterschaft an − „Unser Dorf lebt und das war das Schönste an diesem Tag“ Holz Resch gegen Mixed Pickles an, Hüttenfreunde I gegen die Fußballer, Bahnhofler gegen Leutaussagla, Spillerweiber gegen junge Frauen.Wieder wurde gelacht und geschrien, gebangt und gejubelt und inzwischen öffneten Interessierte auch die Fenster der umliegenden Häuser.

Im Halbfinale standen sich die Mixed Pickles und die Fußballer gegenüber und tatsächlich siegten die Mixed Pickels, ein bunter Haufen um Bürgermeister Walter Bermann, der sich von Ernstl hatte breitschlagen lassen, doch noch teilzunehmen. Die nächsten Gegner waren so ungleich − Bahnhofler gegen junge Frauen −, dass sich noch einige weitere Damen und auch Kavaliere ans Seil hingen, bis sie die Bahnhofler über den Strich ziehen konnten. Da das aber nicht wirklich den Regeln entsprach, einigte man sich, für den Endkampf doch die Bahnhofler zu benennen und die bekamen dann von den Mixed Pickels buchstäblich das Seil unter den Füßen weggezogen. „So sehen Sieger aus!“, jubelten die Mixed Pickles und damit stand fest, zumindest in Neureichenau gab es an diesem Tag einen eindeutigen Sieger, nein, lauter Sieger, denn diese Riesengaudi machte einfach allen Spaß.


Bei der Siegerehrung wurde zunächst das älteste Team herausgehoben. Zusammen brachten es die fünf von den Eong’schtromten aus dem Hochfeld auf über 300 Jahre und das war einen Sonderpreis wert: eine Halbe und einmal Probeliegen im Rosenium. Die jungen Frauen bekamen einen Caipirinha aus dem Babylon und die Sieger einen Gutschein für einen spanischen Abend, wozu sie ins neu gestaltete Freibad eingeladen wurden.

Und dann begann die EM Party. Mit frechen Partyhits und Ernstls Faneinstimmung, die er sich beim Spiel Deutschland-Portugal in Zürich abgeschaut hatte, wurde es immer lustiger. Keiner, der nicht mit schwarz-rot-gold gezeichnet war, keiner der nicht der deutschen Mannschaft die Daumen drückte und kaum einer, der nicht zweifelte, ob es klappen würde. Auch jetzt wurde gebangt, gehofft und mitgefiebert, würde die deutsche Nationalmannschaft so viel Kraft und List und Stärke aufbringen, wie zuvor die einzelnen Mannschaften beim Seilziehen? Nach der Übertragung, die wie alles an diesem Tag reibungslos von statten ging, kam die Ernüchterung prompt, und doch zogen Ernst Süß und Bernhard Pöschl von derWerbegemeinschaft ein sehr positives Resümee. „Unser Dorf lebt, das haben wir heute wieder gezeigt und das war das Schönste an diesem Tag!“